Jauch und die Flüchtlinge

Fast jeden Tag versinkt ein Flüchtlingsboot im Mittelmeer. Höchste Zeit, dass sich auch Günther Jauch der Tragödie annimmt. Und Gäste einlädt, die darüber diskutieren, was die EU tun muss, um die Menschen zu retten, die auf der Flucht vor Krieg, Katastrophen und wirtschaftlichem Elend ihr Leben riskieren – und oft genug verlieren.

Das taten die Gäste gestern Abend auch. Allerdings gab es nur einmal den Versuch, das schwierige Thema wenigstens ansatzweise so komplex zu diskutieren, wie es angemessen wäre.  Die Forderung wurde laut, dass die EU dafür sorgen solle, dass die Menschen gar nicht erst ihre Heimat in Afrika sowie im Nahen und Mittleren Osten verlassen müssten. Also die Ursachen der Flucht bekämpfen und eine bessere wirtschaftliche und politische Infrastruktur aufbauen solle. Wie das in Syrien und dem Irak funktionieren soll, konnte allerdings niemand beantworten.

Doch wo liegt die Ursache? Wer sie sucht, wird schnell feststellen, dass sie in der Europäischen Union selbst liegt. Von den Asylgesetzen einmal abgesehen: Die erlauben, vom Krieg Verfolgten erst dann einen Asylantrag zu stellen, wenn sie europäischen Boden betreten haben. Wie sie dahin kommen, ist ihr Problem.

Das aber ist vielleicht EINE Ursache, nicht aber der Grund für die Migrationsbewegungen. Den hat Journalist Heribert Prantl (http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingspolitik-du-sollst-nicht-toeten-1.2439653) in der Talkshow wenigstens einmal angesprochen. Ohne jedoch den Pfad danach weiterauszubauen.

Denn es sind natürlich nicht nur Menschen auf dem Weg, die in ihrer Heimat um Leib und Leben fürchten. Es wollen auch diejenigen nach Europa, die in ihrem Heimatland keine wirtschaftliche Perspektive mehr sehen. In Nordafrika, in Westafrika sind die Produkte der heimischen Bauern teurer als EU-Waren. Subventionierte Hühner, Tomaten und Butter aus Frankreich, Deutschland und den Niederlanden überschwemmen die Märkte. Und machen sie kaputt. Dazu fischen die modernen Fangflotten der westlichen Welt (nicht nur der EU) Afrikas Küstengewässer leer, so dass für die lokalen Fischer nur wenig übrig bleibt.

Das ist der Grund.

Wir gründen unseren Lebensstil in der ersten Welt auf dem Elend der Menschen in der dritten. Wer das ändern will, muss dafür sorgen, dass die wahnsinnigen Subventionen für Europas Agrarunternehmen aufhören. Nur so kann ein Bauer in der Sahelzone den Preis für seine Tomaten erzielen, den er braucht. Dann muss er nicht seine Kinder auf den Todesmarsch ans Mittelmeer schicken, weil er sie nicht mehr ernähren kann.

Das Ende der Agrarsubventionen in Europa würde aber auch das Aus für „Premium-Lebensmittel zum Discounter-Preis“ bei uns bedeuten. Denn irgendwas will der Landwirt aus NRW, Piemont und Andalusien ja auch verdienen. Dann aber müssten wir alle auch einen Euro mehr für ein Kilo Tomaten bezahlen.

Sind wir bereit dazu?

Es gibt sicherlich einige in Deutschland, die es wären – und es bereits sind. Das Problem: der Vorschlag, den Reichtum der Welt besser zu verteilen, eignet sich leider denkbar schlecht für den Wahlkampf. Abzugeben hat niemand etwas. Der Wähler kein Geld, der Politiker keine Wählerstimme.

Hier und im Rest Europas, wo viele Menschen von den Agrarsubventionen profitieren.

Wir alle.

70 Jahre Jürgen Drews

70 Jahre Jürgen Drews

Ein Einkaufszentrum im Ruhrgebiet Ende März. In der Mall drängen sich schon hunderte Menschen um eine kleine Bühne. Schüler, Rentner und wer sonst eben an einem Montagvormittag so Zeit hat. Eine Etage drüber pflückt Jürgen Drews in einem schmucklosen Besprechungsraum gerade mit Stäbchen saftige Riesen-Garnelen von kleinen Reis-Quadern. Aha. Sushi zum Frühstück. So bleibt der Schlager-Monarch also fit.

Kurz nach dem Aufstehen verströmt der König von Mallorca allerdings wenig Royales. Keine Krone, kein Hermelin, dafür ein Strickpulli mit Reißverschluss. Müüüüüde sei er und schiebt sich eine Stäbchen-Spitze Wassabi in den Rachen. Gut für die Stimme? Ach was, die Stimme sei wie sie ist. Nach dem Aufstehen etwas rau, aber das gebe sich schon. Aber zum Wachwerden sei das grüne Zeug einfach gut.

In der Nacht ist er mit seinem Manager noch von Ulm ins Revier gejagt. Dann ein paar Stunden pennen und jetzt der Mall-Marathon. Drei Shoppingcenter in NRW an einem Tag. Und das kurz vor seinem 70. Geburtstag. Aber klar: die neue Scheibe verkauft sich schließlich nicht von allein. „Es war immer alles am besten“ heißt das Album. Damit zieht er Bass unterstützt die Bilanz seines Lebens. Die lautet: Unterm Strich lief’s ganz gut für „Onkel Jürgen“. Eine rundum gesunde Frau, gesunde Kinder, er selbst der Dorian Gray der Schlagerwelt. Auch mit 70 Jahren kein Gramm zu viel und das Antlitz ausgesprochen knitterfrei. „Eine gute Gendisposition“, sagt er bescheiden. Und alles, was er tue, geschehe in Maßen. Exzesse? Früher vielleicht. Heute seien sie ihm fremd.

Jürgen Drews macht sein Ding. Auch wenn er gerade ein bisschen fremdbestimmt wirkt. Für 12 Uhr ist sein Auftritt angekündigt. Eine gesungene Autogrammstunde. Doch er hat sich verquasselt. Mal wieder. „Wenn ich einmal anfange…..“ Der Tourmanager macht Druck. Also noch schnell ein Stück Obst in den Mund geschoben und los. Den Pullover aus der Apotheken-Umschau tauscht er gegen einen roten Gehrock mit Spitze. Jetzt wirkt er schon eher königlich, nur ohne Krone.

Wenig majestätisch dagegen der Gang zur Bühne. Jürgen Drews trottet seinem Manager und dem Center-Chef hinterher. „Geht ihr mal vor! Boah, bin ich müde.“ Keine Fans, die Spalier stehen. Die kalten Wände der Versorgungskatakomben der Shoppingmall umrahmen den Tross. Bloß nicht zu vielen Anhängern begegnen. „Sonst bleibt er wieder so oft stehen und wir kommen gar nicht zum Auftritt. Wir hängen jetzt schon“, sagt der Manager. Alles eng getaktet.

Doch so ganz will sich der Mann, der sich 1976 in „Ein Bett im Kornfeld“ legte und so die Hitparaden stürmte, dann eben doch nicht in ein Zeitkorsett zwängen lassen. Schon an der Rolltreppe fangen ihn die ersten Fans ab. Bussi, Foto, „Jürgen, guck‘ doch mal!“. Und Jürgen macht alles mit. Immer mit einem Lächeln – für jeden. Erfüllt Autogrammwünsche, selbst auf ungewöhnlichem Untergrund. Heute eine Männerwade.

Wegen dieser Bodenständigkeit lieben ihn die Leute. Und das verdient Anerkennung. 40 Jahre lang die Schlagerwelt und den Ballermann weitestgehend nüchtern und allürenfrei überlebt zu haben, ist schon aller Ehren wert.

Jürgen Drews ist ein König des Volkes, ein König zum Anfassen.

Dann knipst er den Party-Schalter an. 12:12 Uhr. Die Audienz beginnt. „Komm‘ und lass uns tanzen geh‘n“. Die Untertanen gehorchen. Sie tanzen.

Herzlichen Glückwunsch!
Lang lebe der König.