Ein Einkaufszentrum im Ruhrgebiet Ende März. In der Mall drängen sich schon hunderte Menschen um eine kleine Bühne. Schüler, Rentner und wer sonst eben an einem Montagvormittag so Zeit hat. Eine Etage drüber pflückt Jürgen Drews in einem schmucklosen Besprechungsraum gerade mit Stäbchen saftige Riesen-Garnelen von kleinen Reis-Quadern. Aha. Sushi zum Frühstück. So bleibt der Schlager-Monarch also fit.
Kurz nach dem Aufstehen verströmt der König von Mallorca allerdings wenig Royales. Keine Krone, kein Hermelin, dafür ein Strickpulli mit Reißverschluss. Müüüüüde sei er und schiebt sich eine Stäbchen-Spitze Wassabi in den Rachen. Gut für die Stimme? Ach was, die Stimme sei wie sie ist. Nach dem Aufstehen etwas rau, aber das gebe sich schon. Aber zum Wachwerden sei das grüne Zeug einfach gut.
In der Nacht ist er mit seinem Manager noch von Ulm ins Revier gejagt. Dann ein paar Stunden pennen und jetzt der Mall-Marathon. Drei Shoppingcenter in NRW an einem Tag. Und das kurz vor seinem 70. Geburtstag. Aber klar: die neue Scheibe verkauft sich schließlich nicht von allein. „Es war immer alles am besten“ heißt das Album. Damit zieht er Bass unterstützt die Bilanz seines Lebens. Die lautet: Unterm Strich lief’s ganz gut für „Onkel Jürgen“. Eine rundum gesunde Frau, gesunde Kinder, er selbst der Dorian Gray der Schlagerwelt. Auch mit 70 Jahren kein Gramm zu viel und das Antlitz ausgesprochen knitterfrei. „Eine gute Gendisposition“, sagt er bescheiden. Und alles, was er tue, geschehe in Maßen. Exzesse? Früher vielleicht. Heute seien sie ihm fremd.
Jürgen Drews macht sein Ding. Auch wenn er gerade ein bisschen fremdbestimmt wirkt. Für 12 Uhr ist sein Auftritt angekündigt. Eine gesungene Autogrammstunde. Doch er hat sich verquasselt. Mal wieder. „Wenn ich einmal anfange…..“ Der Tourmanager macht Druck. Also noch schnell ein Stück Obst in den Mund geschoben und los. Den Pullover aus der Apotheken-Umschau tauscht er gegen einen roten Gehrock mit Spitze. Jetzt wirkt er schon eher königlich, nur ohne Krone.
Wenig majestätisch dagegen der Gang zur Bühne. Jürgen Drews trottet seinem Manager und dem Center-Chef hinterher. „Geht ihr mal vor! Boah, bin ich müde.“ Keine Fans, die Spalier stehen. Die kalten Wände der Versorgungskatakomben der Shoppingmall umrahmen den Tross. Bloß nicht zu vielen Anhängern begegnen. „Sonst bleibt er wieder so oft stehen und wir kommen gar nicht zum Auftritt. Wir hängen jetzt schon“, sagt der Manager. Alles eng getaktet.
Doch so ganz will sich der Mann, der sich 1976 in „Ein Bett im Kornfeld“ legte und so die Hitparaden stürmte, dann eben doch nicht in ein Zeitkorsett zwängen lassen. Schon an der Rolltreppe fangen ihn die ersten Fans ab. Bussi, Foto, „Jürgen, guck‘ doch mal!“. Und Jürgen macht alles mit. Immer mit einem Lächeln – für jeden. Erfüllt Autogrammwünsche, selbst auf ungewöhnlichem Untergrund. Heute eine Männerwade.
Wegen dieser Bodenständigkeit lieben ihn die Leute. Und das verdient Anerkennung. 40 Jahre lang die Schlagerwelt und den Ballermann weitestgehend nüchtern und allürenfrei überlebt zu haben, ist schon aller Ehren wert.
Jürgen Drews ist ein König des Volkes, ein König zum Anfassen.
Dann knipst er den Party-Schalter an. 12:12 Uhr. Die Audienz beginnt. „Komm‘ und lass uns tanzen geh‘n“. Die Untertanen gehorchen. Sie tanzen.
Herzlichen Glückwunsch!
Lang lebe der König.