Heute schreiben die Kollegen: „BILD findet DDR in Afrika“. Glückwunsch. Habe ich vor vier Jahren auch – und war noch nicht mal der erste….

http://www.derwesten.de/politik/die-verrueckten-deutschen-von-maputo-id3970846.html
Falls der Link nicht funktionieren sollte, hier der Text vom November 2010
Maputo. Auch 20 Jahre nach der Wende wird die Flagge der DDR jeden Mittwoch zu Musik und Gesang durch die Straßen Maputos getragen. Doch Zirkel, Hammer und Ähre flattern nicht im Wind, den der indische Ozean in die Hauptstadt Mosambiks trägt, weil verklärte Postsozialisten der schönen Seiten des Arbeiter-und Bauern-Staates gedenken.
Nein, 16.000 Mosambikaner, die zwischen 1979 und 1990 als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen waren, fühlen sich von Deutschland und ihrer Regierung um ihren Lohn betrogen. Sie nennen sich „Madgermanes“. Hunderte von ihnen gehen jeden Mittwoch auf die Straße und verlangen ihr Geld zurück, zwischen 5000 und 15.000 US-Dollar pro Kopf – und das seit 20 Jahren.
Juma Madeira (40) erinnert sich noch genau an den kalten Tag im März 1981 als das Flugzeug in Berlin-Schönefeld aufsetzte. „Vom Himmel fielen tausende weißer Steine“, so dass sich keiner der Mosambikaner aus der Interflug-Maschine traute. Schnee hatten die Männer und Frauen noch nie gesehen. Acht Jahre schraubte Juma Madeira bei den MZ Motorenwerken in Chemnitz, verdiente gutes Geld, wie er sagt. Das Abkommen von 1979 zwischen der DDR und ihrem sozialistischen Bruderland regelte jedoch, dass alle Vertragsarbeiter rund 60 Prozent ihres Lohns in ihr Heimatland transferieren mussten. Eine Starthilfe, für die Zeit nach ihrer Rückkehr. Damit sollten sich die in DDR ausgebildeten Tischler, Mechaniker oder Näherinnen zu Hause eine Existenz aufbauen und im vom Bürgerkrieg zerstörten Land Arbeitsplätze schaffen. „Mit diesem Geld hätten wir unsere Familie ernähren und unsere Kinder zur Schule schicken können“, lamentiert Juma. Doch bis auf willkürlich ausgewählte Kleinstsummen ist kein Geld bei den Vertragsarbeitern angekommen. Weder die insgesamt 74 Millionen Dollar Lohnabzüge, die nach Angaben des Auswärtigen Amtes von der DDR an Mosambik überwiesen worden waren, noch die 18,6 Millionen Dollar, die die Bundesrepublik 1990 als Ausgleich für die nach Ende des Abkommens vertraglich vereinbarte Leistungsübernahme für Renten- und Sozialbeiträge der Arbeiter an die mosambikanische Regierung transferiert hat.
So schlaff, wie die schwarz-rot-goldene Fahne an einem, in ein Astloch gesteckten Holzstab herunterhängt, sitzen etwa zwei bis drei Dutzend ehemalige Gastarbeiter im versandeten und vermüllten Park „Jardim Vinte e Oito de Maio“ im Schatten eines Baums. Beinahe jeden Tag seit ihrer Rückkehr palavern sie hier über ihre enttäuschten Hoffnungen. Ein steinernes Toilettenhäuschen hat ihnen die Regierung damals vor 20 Jahren als Versammlungsort mitten in Maputo zur Verfügung gestellt. „Base Central Madgermany“ haben sie in roten Buchstaben ebenso auf die weißen Wände gepinselt wie die deutschen Nationalfarben. „Madgermanes“, „die verrückten Deutschen“ wurden sie wegen ihrer wöchentlichen Proteste von der Bevölkerung genannt und haben den Namen übernommen. Die Mehrheit von ihnen ist arbeitslos. Sie gelten wegen ihrer Kritik an der herrschenden Frelimo (Mosambikanische Befreiungsfront) als Querulanten, die trotz ihrer Deutschkenntnisse und in der DDR genossenen Ausbildung große Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden. „Die Regierung hat verboten uns einzustellen. Sie will uns so fertig machen, damit sich das Problem von alleine löst“, schimpft José Alfredo Cossa (48).
Der 1,90 Meter große, ehemalige Tischler der VEB Möbelwerke Zeulenroda mit dem Kreuz eines Rugby-Spielers ist der Präsident der Madgermanes. Fein säuberlich hat er Kopien von Rechnungen und Überweisungen in einem Spiralordner gesammelt. Dokumente, die beweisen, wie viel Geld monatlich tatsächlich von einzelnen Vertragsarbeitern transferiert worden war und die zeigen, mit welchen Kleckerbeträgen – in einem Fall umgerechnet sechs Euro für vier Jahre Arbeit – die mosambikanische Regierung die Vertragsarbeiter abspeisen will. Von deutscher Seite hat Cossa in seinem Kampf nicht mehr viel Unterstützung zu erwarten: „Die Bundesrepublik hat bereits Anfang der 90er Jahre die Verpflichtungen aus den Verträgen der ehemaligen DDR mit der Regierung von Mosambik erfüllt. Ansprechpartner für die Forderungen der Vertragsarbeiter ist daher die mosambikanische Regierung“, so eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Doch das Geld ist weg.
Deshalb raffen sich jeden Mittwoch die müde wirkenden Männer und Frauen auf, um für drei Stunden lautstark durch die Straßen Maputos zu ziehen und ihr Geld einzufordern. Nach einer kurzen Andacht und dem Gedenken an ihren 2003 von der Polizei erschossenen Kameraden Virgilio Amade, setzt sich der Tross um 11 Uhr in Bewegung. Angeführt von einem dürren, in einen zerlumpten Jute-Sack gehüllten Männlein, der die an einem langen Stock befestigte DDR-Fahne vor sich herträgt, ziehen etwa 400 Männer und Frauen die Avenida de 24 Julho hinauf. Sie schwenken deutsche Flaggen und an ihren in der Mittagshitze schwitzenden Leibern kleben DFB-Trikots sowie schwarz-rot-goldene Schals und Mützen. Die Kraft für diese wöchentliche Strapaze schöpfen sie aus ihrem unermesslichen Zorn auf die Regierung. Sie trommeln mit Stöcken auf leeren Benzinkanistern, singen und skandieren mit geballten Fäusten: „Wir wollen unser Geld zurück!“ „Wer hat uns betrogen….FRELIMO!“ Die mit Kalaschnikows bewaffneten Polizisten, die den Zug auf einen Pick Up begleiten, lassen sie gewähren. Auch das Parlament hat den Madgermanes in einer Anhörung im Juni dieses Jahres Recht gegeben und die Fehler der damaligen Regierung eingestanden – ohne freilich Angaben zum Verbleib des Geldes zu gemacht zu haben. „Vom Recht allein kann ich aber nichts zu essen kaufen“, gerät Alfredo Cossa in Rage. Noch begnügen sich er und seine Leute, die bereits 2004 kurzzeitig die deutsche Botschaft besetzt hatten, mit verbalen Attacken. Doch irgendwann sei ihre Geduld nach 20 Jahren des Wartens erschöpft, warnt Alfredo Cossa: „Wenn nicht bald etwas passiert, machen wir etwas Schlimmes.“
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