Au revoir, Madame

Vor über vier Jahren, 2012 war es, liefen wir uns das erste Mal über den Weg. Ich hatte ein Bild von dir Im Internet gesehen – und musste dich einfach kennenlernen. Deine Augen waren noch schöner als es ein Foto jemals ausdrücken könnte. Und dann dieser französische Akzent. Deine Kurven aufregend und elegant zugleich. Die inneren Werte…haben einfach klasse. Gut, ein paar Macken besitzt jeder. Aber die haben sich erst im Laufe der Zeit gezeigt.

Am Anfang haben wir uns jede Woche gesehen, haben viel Zeit miteinander verbracht, aufregende Ausflüge gemacht, sind gemeinsam in den Sonnenuntergang gefahren. Das war schon ein wenig romantisch. Wohin wir auch kamen, die Bewunderung der anderen Männer war dir gewiss. Eine zeitlose Schönheit. Meine Eroberung. Fraglos: Ich war stolz.

Es mag ungewöhnlich klingen, aber manchmal konnte sogar meine Freundin deinem Charme nicht widerstehen. Wir hatten Spaß zu dritt.

Zwei Frauen gleichzeitig. Das kann ziemlich anstrengend sein – und kostspielig. Hier ein guter Tropfen, da ein bisschen Kosmetik und natürlich die Bleibe. Irgendwo musstest du die Nächte verbringen, wenn du allein warst und trotzdem in meiner Nähe sein wolltest. Das läpperte sich, aber es war es wert.

Doch wie es so kommt, mit den Jahren haben sich die Prioritäten verschoben. Aus der Freundin wird die Frau. Spätestens seit mein Sohn auf der Welt ist, ist alles anders. Da sitzen die Spendierhosen plötzlich etwas enger. Unsere Treffen wurden natürlich unregelmäßiger. Auch wenn es sich für einige Momente so anfühlte wie früher, die große Leidenschaft konnten wir nicht mehr entfachen. Ich habe dich zwar immer noch gern besucht, schließlich ist dein Fahrwerk immer noch schön geschmeidig und du bist für dein Baujahr 1972 prächtig in Form. Doch es überwog das Gefühl der Verpflichtung, ein Treffen um der alten Zeiten Willen…Irgendwann wurde mir klar, dass es so nicht weitergehen könnte und mich entscheiden müsste.

Jetzt ist es an der Zeit, vernünftig zu sein und sich zu verabschieden.

D.S., bleib wie du bist – wie eine französische Göttin eben. Ich gebe dich frei, damit du einem anderen Mann die Freude bereiten kannst, wie ich sie dank deiner Hydropneumatik erleben durfte. Und wenn meine Augen dich eines Tages auf der Straße erblicken, werde ich an unsere gemeinsame Zeit denken, die uns keiner mehr nehmen kann. 😉

Au revoir, Madame.

Die dritte Person

Bisher bin ich stets der Auffassung gewesen, wer in der dritten Person Singular von sich spricht, zählt entweder zur immer kleiner werdenden Kaste der kaiserlich Herrschenden oder ist schlichtweg größenwahnsinnig. Oder beides.

Was aber, wenn man trotz unbeschreiblichen Erfolgs und fantastischen Aussehens immer noch vollkommen bodenständig geblieben ist, eine familiäre Nähe zu den Hohenzollern und anderen Adelsgeschlechtern auch nach intensiver und wohlwollender Stammbaum-Recherche nicht nachweisbar ist und dennoch in den eigenen vier Wänden erwachsene Menschen nur noch von dritten Personen reden?

Dann könnte es sein, dass tatsächlich eine dritte Person eingezogen ist. Wir nennen ihn Theo. So heißt er wohl auch. Steht zumindest in seinem Pass. Und seit gut vier Monaten bin ich zu Hause nur noch „der Papa“. Das macht vieles einfacher. Zum Beispiel weiß der kleine Mann sofort, wen er vor sich hat und muss sich keine Vornamen merken.

In der Regel klappt das ganz gut. Nur manchmal kommt der zweite Name ins Spiel, wenn die Schüppchen-Schnute (gibt’s nicht bei Hornbach) lautstark die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse einfordert. Hunger und Durst.

Dann bin ich „Nicht die Mama“  – und reiche weiter.

Jauch und die Flüchtlinge

Fast jeden Tag versinkt ein Flüchtlingsboot im Mittelmeer. Höchste Zeit, dass sich auch Günther Jauch der Tragödie annimmt. Und Gäste einlädt, die darüber diskutieren, was die EU tun muss, um die Menschen zu retten, die auf der Flucht vor Krieg, Katastrophen und wirtschaftlichem Elend ihr Leben riskieren – und oft genug verlieren.

Das taten die Gäste gestern Abend auch. Allerdings gab es nur einmal den Versuch, das schwierige Thema wenigstens ansatzweise so komplex zu diskutieren, wie es angemessen wäre.  Die Forderung wurde laut, dass die EU dafür sorgen solle, dass die Menschen gar nicht erst ihre Heimat in Afrika sowie im Nahen und Mittleren Osten verlassen müssten. Also die Ursachen der Flucht bekämpfen und eine bessere wirtschaftliche und politische Infrastruktur aufbauen solle. Wie das in Syrien und dem Irak funktionieren soll, konnte allerdings niemand beantworten.

Doch wo liegt die Ursache? Wer sie sucht, wird schnell feststellen, dass sie in der Europäischen Union selbst liegt. Von den Asylgesetzen einmal abgesehen: Die erlauben, vom Krieg Verfolgten erst dann einen Asylantrag zu stellen, wenn sie europäischen Boden betreten haben. Wie sie dahin kommen, ist ihr Problem.

Das aber ist vielleicht EINE Ursache, nicht aber der Grund für die Migrationsbewegungen. Den hat Journalist Heribert Prantl (http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingspolitik-du-sollst-nicht-toeten-1.2439653) in der Talkshow wenigstens einmal angesprochen. Ohne jedoch den Pfad danach weiterauszubauen.

Denn es sind natürlich nicht nur Menschen auf dem Weg, die in ihrer Heimat um Leib und Leben fürchten. Es wollen auch diejenigen nach Europa, die in ihrem Heimatland keine wirtschaftliche Perspektive mehr sehen. In Nordafrika, in Westafrika sind die Produkte der heimischen Bauern teurer als EU-Waren. Subventionierte Hühner, Tomaten und Butter aus Frankreich, Deutschland und den Niederlanden überschwemmen die Märkte. Und machen sie kaputt. Dazu fischen die modernen Fangflotten der westlichen Welt (nicht nur der EU) Afrikas Küstengewässer leer, so dass für die lokalen Fischer nur wenig übrig bleibt.

Das ist der Grund.

Wir gründen unseren Lebensstil in der ersten Welt auf dem Elend der Menschen in der dritten. Wer das ändern will, muss dafür sorgen, dass die wahnsinnigen Subventionen für Europas Agrarunternehmen aufhören. Nur so kann ein Bauer in der Sahelzone den Preis für seine Tomaten erzielen, den er braucht. Dann muss er nicht seine Kinder auf den Todesmarsch ans Mittelmeer schicken, weil er sie nicht mehr ernähren kann.

Das Ende der Agrarsubventionen in Europa würde aber auch das Aus für „Premium-Lebensmittel zum Discounter-Preis“ bei uns bedeuten. Denn irgendwas will der Landwirt aus NRW, Piemont und Andalusien ja auch verdienen. Dann aber müssten wir alle auch einen Euro mehr für ein Kilo Tomaten bezahlen.

Sind wir bereit dazu?

Es gibt sicherlich einige in Deutschland, die es wären – und es bereits sind. Das Problem: der Vorschlag, den Reichtum der Welt besser zu verteilen, eignet sich leider denkbar schlecht für den Wahlkampf. Abzugeben hat niemand etwas. Der Wähler kein Geld, der Politiker keine Wählerstimme.

Hier und im Rest Europas, wo viele Menschen von den Agrarsubventionen profitieren.

Wir alle.

70 Jahre Jürgen Drews

70 Jahre Jürgen Drews

Ein Einkaufszentrum im Ruhrgebiet Ende März. In der Mall drängen sich schon hunderte Menschen um eine kleine Bühne. Schüler, Rentner und wer sonst eben an einem Montagvormittag so Zeit hat. Eine Etage drüber pflückt Jürgen Drews in einem schmucklosen Besprechungsraum gerade mit Stäbchen saftige Riesen-Garnelen von kleinen Reis-Quadern. Aha. Sushi zum Frühstück. So bleibt der Schlager-Monarch also fit.

Kurz nach dem Aufstehen verströmt der König von Mallorca allerdings wenig Royales. Keine Krone, kein Hermelin, dafür ein Strickpulli mit Reißverschluss. Müüüüüde sei er und schiebt sich eine Stäbchen-Spitze Wassabi in den Rachen. Gut für die Stimme? Ach was, die Stimme sei wie sie ist. Nach dem Aufstehen etwas rau, aber das gebe sich schon. Aber zum Wachwerden sei das grüne Zeug einfach gut.

In der Nacht ist er mit seinem Manager noch von Ulm ins Revier gejagt. Dann ein paar Stunden pennen und jetzt der Mall-Marathon. Drei Shoppingcenter in NRW an einem Tag. Und das kurz vor seinem 70. Geburtstag. Aber klar: die neue Scheibe verkauft sich schließlich nicht von allein. „Es war immer alles am besten“ heißt das Album. Damit zieht er Bass unterstützt die Bilanz seines Lebens. Die lautet: Unterm Strich lief’s ganz gut für „Onkel Jürgen“. Eine rundum gesunde Frau, gesunde Kinder, er selbst der Dorian Gray der Schlagerwelt. Auch mit 70 Jahren kein Gramm zu viel und das Antlitz ausgesprochen knitterfrei. „Eine gute Gendisposition“, sagt er bescheiden. Und alles, was er tue, geschehe in Maßen. Exzesse? Früher vielleicht. Heute seien sie ihm fremd.

Jürgen Drews macht sein Ding. Auch wenn er gerade ein bisschen fremdbestimmt wirkt. Für 12 Uhr ist sein Auftritt angekündigt. Eine gesungene Autogrammstunde. Doch er hat sich verquasselt. Mal wieder. „Wenn ich einmal anfange…..“ Der Tourmanager macht Druck. Also noch schnell ein Stück Obst in den Mund geschoben und los. Den Pullover aus der Apotheken-Umschau tauscht er gegen einen roten Gehrock mit Spitze. Jetzt wirkt er schon eher königlich, nur ohne Krone.

Wenig majestätisch dagegen der Gang zur Bühne. Jürgen Drews trottet seinem Manager und dem Center-Chef hinterher. „Geht ihr mal vor! Boah, bin ich müde.“ Keine Fans, die Spalier stehen. Die kalten Wände der Versorgungskatakomben der Shoppingmall umrahmen den Tross. Bloß nicht zu vielen Anhängern begegnen. „Sonst bleibt er wieder so oft stehen und wir kommen gar nicht zum Auftritt. Wir hängen jetzt schon“, sagt der Manager. Alles eng getaktet.

Doch so ganz will sich der Mann, der sich 1976 in „Ein Bett im Kornfeld“ legte und so die Hitparaden stürmte, dann eben doch nicht in ein Zeitkorsett zwängen lassen. Schon an der Rolltreppe fangen ihn die ersten Fans ab. Bussi, Foto, „Jürgen, guck‘ doch mal!“. Und Jürgen macht alles mit. Immer mit einem Lächeln – für jeden. Erfüllt Autogrammwünsche, selbst auf ungewöhnlichem Untergrund. Heute eine Männerwade.

Wegen dieser Bodenständigkeit lieben ihn die Leute. Und das verdient Anerkennung. 40 Jahre lang die Schlagerwelt und den Ballermann weitestgehend nüchtern und allürenfrei überlebt zu haben, ist schon aller Ehren wert.

Jürgen Drews ist ein König des Volkes, ein König zum Anfassen.

Dann knipst er den Party-Schalter an. 12:12 Uhr. Die Audienz beginnt. „Komm‘ und lass uns tanzen geh‘n“. Die Untertanen gehorchen. Sie tanzen.

Herzlichen Glückwunsch!
Lang lebe der König.

Vive le Maut – was uns Navis über Dobrindts Pläne verraten

Die Pekawe-Maut. Sie wird kommen. Ich bin mir sicher. Denn ein Navigationsgerät hat es mir verraten.

Ohne Navi geht ja gar nichts mehr. Ich kenne Menschen, die vertrauen eher der künstlichen Stimme aus der Konsole als dem eigenen Verstand. Das Schild weist nach rechts, das Navi sagt links – und die Fahrt geht links herum. So viel Maschinen-Hörigkeit macht mir Angst. 1984, ick hör dir trapsen.

Ich habe Navis immer mit einer gewissen Skepsis gegenübergestanden. Satelliten steuern sie. Aber wer steuert die Satelliten? Überall Datendiebe, die Routenprofile von mir anlegen und mir dann Werbeprospekte zuschicken oder die Bude ausräumen.

Und jetzt das. Ein Mietwagen französischer Bauart. Natürlich ausgestattet mit einem Navigationsgerät. Mal abgesehen davon, dass es das Wort Nutzerfreundlichkeit nicht auf Französisch geben kann, hatte die Kiste eine weitere Überraschung parat. Kurz vor der Auffahrt auf die A52 sagte die Stimme beinahe akzentfrei: „Fahren Sie bitte auf die gebührenpflichtige Autobahn“. Gebührenpflichtig, sitze ich in einem Laster oder was?

Nein, das verfluchte Navi weiß mehr!
Völlig klar: Alexander Dobrindt setzt sich am Ende durch und wir alle wissen es noch nicht.  Am Ende hat die CSU die Dinger sogar gehackt und umprogrammiert, um uns ganz subtil auf die Pkw-Maut vorzubereiten.

Aber warum hat er die Franzosen schon eingeweiht?

Machtspiele.

Wenn ihr mich in Berlin nicht wollt, geh‘ ich eben nach Paris.

Servus!

Der kreierte Matchplan – wie sich Fußball überhöht

Mir wird Fußball langsam zu kompliziert. Zu überhöht. Nicht das Spiel selbst. Das ist schön einfach. Aber das, was daraus gemacht wird.

Denn seit geraumer Zeit werden Tor-Chancen  nicht einfach nur herausgespielt, sondern kreiert. Jedes Mal feiern sich die Spieler selbst, wenn sie kontextbezogen dieses Fremdwort in ihre inhaltslosen TV-Interviews eingebaut haben. Und die Spiel-Kommentatoren tun es ihnen gleich. Neulich sagte ein Öffentlich-rechtlicher am Mikrofon sogar, dass ein Spieler nun das ganze Spiel kreieren soll. Das klingt etwa so ungelenk wie Per Mertesacker beim Dribbling.

Alles nur,  weil ein holländischer Tulpengeneral und Bayern-Trainer  vor Jahren ein niederländisches Wort  verwendet hat, das  „erspielen/erschaffen“ am nächsten kommt: creëren. Hängen blieb: kreieren. Louis van Gaal stolziert längst nicht mehr durch die Bundesliga-Stadien. Doch seine Kreation ist geblieben.

Apropos Trainer: Die haben jetzt auf einmal alle einen Matchplan. Hammer. Als ob zuvor die Taktik-Füchse ihre Mannschaft nur mit den Worten „Haut die Penner weg vom Platz“ aufs Feld geschickt hätten.

Ok. Eine Ausnahme gab es: Franz Beckenbauer: „Gehts raus und spielts Fußball“. Das war ein Satz. Dabei ist immerhin ein WM-Titel herausgekommen.

Etwas weniger sprachliches Bling-Bling kann dem Fußball also nicht schaden.

Montagsbaum

Sprechen wir über Tannenbäume.
Insbesondere um die Geburt des Religionsstifters zu feiern, gehören die – angeblich – immergrünen Naturerzeugnisse in diesen Tagen zur Grundausstattung abendländischer Wohnzimmer. Behangen mit Lichterketten, sehr berührungsempfindlichen Glaskugeln und allerhand fair Geschnitztem dient die Tanne dort als Zentrum der weihnachtlichen Zusammenkunft. So war es schon seit Anbeginn der Zeit – und so soll es auch immer bleiben.

Der ERSTE Baum, der unsere eheähnliche Wohngemeinschaft zieren sollte, MUSSTE also ein ganz besonderer sein. Heimatnah aufgewachsen und geschlagen, vom Wipfel bis zum Stamm gerade wie ein Obelisk, aber unten herum bitte schön buschig wie ein Ballkleid. Und nadeln… ja nadeln sollte er auch nicht.
All das, so sagte uns der Tannenwirt aus dem Sauerland, würde auf seine Nordmann-Tannen zutreffen. Auf der Ecke zur Hauptstraße hatte der Händler sein Baum-Lager aufgeschlagen. Immer sonntags säumen Stadtmenschen den kleinen Wald, wählen eine Tanne aus, zahlen einen obszönen Preis und gehen glücklich mit dem eingenetzten Grünzeug heim.

Was soll da schon schief gehen…

Ein bisschen. Der aufgeweckte Leser erinnert sich vielleicht noch an die Paranthese im zweiten Satz.
Gerade Nordmanntannen seien von einer unglaublichen Robustheit, haben wir mit den Jahren gelernt. Gut getränkt, behielten sie noch weit in den März ihr schönes grünes Kleid. Also erschienen uns die 42 Euro für ne 1,80 Meter Nordmanntanne aus Sundern auch angemessen.
Beim Schmücken offenbarte sich dann, dass es sich offenkundig um eine sogenannte Montagstanne handelt: Beim Auflegen der ultraleichten Lichterkette „Soft-Shine“ prasselten die Nadeln aus dem Baum, als ob ein brünftiges Schwarzbär-Pärchen dort gerade einander den Stamm hinaufjagte….

Zorn und Trauer wichen irgendwann Trotz und Beharrlichkeit, da der Händler natürlich schon über alle Berge war.
Mit der Geduld und Präzision eines schweizer Herzchirurgen gelang es schließlich, sämtlichen Schmuck anzubringen, ohne dass Nordmännchen seine charakteristische Form verlor. Weihnachten kann also kommen.

Wobei: Holz-Halbmonde und Mini-Säbel haben wir vergessen. Jetzt wo das Abendland angeblich kurz vor der Islamisierung steht, sollten wir vielleicht besser vorbereitet sein…

Hunger und Zirkel- Ein Rest DDR in Afrika

Heute schreiben die Kollegen: „BILD findet DDR in Afrika“. Glückwunsch. Habe ich vor vier Jahren auch – und war noch nicht mal der erste….

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http://www.derwesten.de/politik/die-verrueckten-deutschen-von-maputo-id3970846.html

Falls der Link nicht funktionieren sollte, hier der Text vom November 2010

Maputo. Auch 20 Jahre nach der Wende wird die Flagge der DDR jeden Mittwoch zu Musik und Gesang durch die Straßen Maputos getragen. Doch Zirkel, Hammer und Ähre flattern nicht im Wind, den der indische Ozean in die Hauptstadt Mosambiks trägt, weil verklärte Postsozialisten der schönen Seiten des Arbeiter-und Bauern-Staates gedenken.

Nein, 16.000 Mosambikaner, die zwischen 1979 und 1990 als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen waren, fühlen sich von Deutschland und ihrer Regierung um ihren Lohn betrogen. Sie nennen sich „Madgermanes“. Hunderte von ihnen gehen jeden Mittwoch auf die Straße und verlangen ihr Geld zurück, zwischen 5000 und 15.000 US-Dollar pro Kopf – und das seit 20 Jahren.

Juma Madeira (40) erinnert sich noch genau an den kalten Tag im März 1981 als das Flugzeug in Berlin-Schönefeld aufsetzte. „Vom Himmel fielen tausende weißer Steine“, so dass sich keiner der Mosambikaner aus der Interflug-Maschine traute. Schnee hatten die Männer und Frauen noch nie gesehen. Acht Jahre schraubte Juma Madeira bei den MZ Motorenwerken in Chemnitz, verdiente gutes Geld, wie er sagt. Das Abkommen von 1979 zwischen der DDR und ihrem sozialistischen Bruderland regelte jedoch, dass alle Vertragsarbeiter rund 60 Prozent ihres Lohns in ihr Heimatland transferieren mussten. Eine Starthilfe, für die Zeit nach ihrer Rückkehr. Damit sollten sich die in DDR ausgebildeten Tischler, Mechaniker oder Näherinnen zu Hause eine Existenz aufbauen und im vom Bürgerkrieg zerstörten Land Arbeitsplätze schaffen. „Mit diesem Geld hätten wir unsere Familie ernähren und unsere Kinder zur Schule schicken können“, lamentiert Juma. Doch bis auf willkürlich ausgewählte Kleinstsummen ist kein Geld bei den Vertragsarbeitern angekommen. Weder die insgesamt 74 Millionen Dollar Lohnabzüge, die nach Angaben des Auswärtigen Amtes von der DDR an Mosambik überwiesen worden waren, noch die 18,6 Millionen Dollar, die die Bundesrepublik 1990 als Ausgleich für die nach Ende des Abkommens vertraglich vereinbarte Leistungsübernahme für Renten- und Sozialbeiträge der Arbeiter an die mosambikanische Regierung transferiert hat.

So schlaff, wie die schwarz-rot-goldene Fahne an einem, in ein Astloch gesteckten Holzstab herunterhängt, sitzen etwa zwei bis drei Dutzend ehemalige Gastarbeiter im versandeten und vermüllten Park „Jardim Vinte e Oito de Maio“ im Schatten eines Baums. Beinahe jeden Tag seit ihrer Rückkehr palavern sie hier über ihre enttäuschten Hoffnungen. Ein steinernes Toilettenhäuschen hat ihnen die Regierung damals vor 20 Jahren als Versammlungsort mitten in Maputo zur Verfügung gestellt. „Base Central Madgermany“ haben sie in roten Buchstaben ebenso auf die weißen Wände gepinselt wie die deutschen Nationalfarben. „Madgermanes“, „die verrückten Deutschen“ wurden sie wegen ihrer wöchentlichen Proteste von der Bevölkerung genannt und haben den Namen übernommen. Die Mehrheit von ihnen ist arbeitslos. Sie gelten wegen ihrer Kritik an der herrschenden Frelimo (Mosambikanische Befreiungsfront) als Querulanten, die trotz ihrer Deutschkenntnisse und in der DDR genossenen Ausbildung große Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden. „Die Regierung hat verboten uns einzustellen. Sie will uns so fertig machen, damit sich das Problem von alleine löst“, schimpft José Alfredo Cossa (48).

Der 1,90 Meter große, ehemalige Tischler der VEB Möbelwerke Zeulenroda mit dem Kreuz eines Rugby-Spielers ist der Präsident der Madgermanes. Fein säuberlich hat er Kopien von Rechnungen und Überweisungen in einem Spiralordner gesammelt. Dokumente, die beweisen, wie viel Geld monatlich tatsächlich von einzelnen Vertragsarbeitern transferiert worden war und die zeigen, mit welchen Kleckerbeträgen – in einem Fall umgerechnet sechs Euro für vier Jahre Arbeit – die mosambikanische Regierung die Vertragsarbeiter abspeisen will. Von deutscher Seite hat Cossa in seinem Kampf nicht mehr viel Unterstützung zu erwarten: „Die Bundesrepublik hat bereits Anfang der 90er Jahre die Verpflichtungen aus den Verträgen der ehemaligen DDR mit der Regierung von Mosambik erfüllt. Ansprechpartner für die Forderungen der Vertragsarbeiter ist daher die mosambikanische Regierung“, so eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Doch das Geld ist weg.

Deshalb raffen sich jeden Mittwoch die müde wirkenden Männer und Frauen auf, um für drei Stunden lautstark durch die Straßen Maputos zu ziehen und ihr Geld einzufordern. Nach einer kurzen Andacht und dem Gedenken an ihren 2003 von der Polizei erschossenen Kameraden Virgilio Amade, setzt sich der Tross um 11 Uhr in Bewegung. Angeführt von einem dürren, in einen zerlumpten Jute-Sack gehüllten Männlein, der die an einem langen Stock befestigte DDR-Fahne vor sich herträgt, ziehen etwa 400 Männer und Frauen die Avenida de 24 Julho hinauf. Sie schwenken deutsche Flaggen und an ihren in der Mittagshitze schwitzenden Leibern kleben DFB-Trikots sowie schwarz-rot-goldene Schals und Mützen. Die Kraft für diese wöchentliche Strapaze schöpfen sie aus ihrem unermesslichen Zorn auf die Regierung. Sie trommeln mit Stöcken auf leeren Benzinkanistern, singen und skandieren mit geballten Fäusten: „Wir wollen unser Geld zurück!“ „Wer hat uns betrogen….FRELIMO!“ Die mit Kalaschnikows bewaffneten Polizisten, die den Zug auf einen Pick Up begleiten, lassen sie gewähren. Auch das Parlament hat den Madgermanes in einer Anhörung im Juni dieses Jahres Recht gegeben und die Fehler der damaligen Regierung eingestanden – ohne freilich Angaben zum Verbleib des Geldes zu gemacht zu haben. „Vom Recht allein kann ich aber nichts zu essen kaufen“, gerät Alfredo Cossa in Rage. Noch begnügen sich er und seine Leute, die bereits 2004 kurzzeitig die deutsche Botschaft besetzt hatten, mit verbalen Attacken. Doch irgendwann sei ihre Geduld nach 20 Jahren des Wartens erschöpft, warnt Alfredo Cossa: „Wenn nicht bald etwas passiert, machen wir etwas Schlimmes.“

http://www.derwesten.de/politik/die-verrueckten-deutschen-von-maputo-id3970846.html#plx1280090325

Paradies ist 36, aber wo liegt eigentlich Falen?

Paradies ist 36, aber wo liegt eigentlich Falen?

In Zeiten, in denen sich immer Menschen in die Luft jagen, in der Hoffnung somit schneller ins Paradies zu gelangen, muss folgende Frage erlaubt sein: Lohnt sich das?

Um das herauszufinden, gilt es erneut eine Frage zu stellen: Wo liegt das Paradies? Zumindest muss es im Osten ansässig sein. Da gibt es ja schon die blühenden Landschaften. Kann demnach nicht weit sein. Also ab ins Auto und los.

Als Westfale fängt der Osten ja schon in Ostwestfalen an. Und hörte lange Zeit dort auch auf. Wie der Süden in Südwestfalen und der Norden in …..

Dass ostwärts überhaupt noch was kommt, eröffnete mir auf verwirrende Weise eine verwandtschaftliche Zusammenkunft am altmärkischen Elbeufer. Fast schon am Ziel, führte der Weg durch ein Industriegebiet, den Ostfalenpark. Zack. Einfach so tauchte das Schild mit diesem Namen auf – Ostfalenpark-, und die Welt, so wie ich sie kannte, hörte auf zu existieren. Sämtliche Jahre Sach- und Erdkundeunterricht, Geschichtsstunden und freiwilliges Kartenlesen im blauen Diercke liefen wie ein Film vor mir ab, doch das alle Rätsel lösende Ende fehlte.
Wenn also Westfalen in Westfalen liegt und Ostfalen in Sachsen-Anhalt seine Heimat hat, wo bitte befindet sich dann Falen? In Niedersachsen jedenfalls nicht. Das wäre mir aufgefallen. Auch das Internet und Historiker, die sich im Internet Jahreszahlen und Altgermanisches an den Kopf schreiben, kennen keine hundertprozentig richtige Antwort. Falen gibt es anscheinend nicht (mehr).

Da ist es dann doch einfacher, das Paradies zu finden. Paradies ist 36. Gleich hinter dem Kirchenschiff. So sagt es die Legende. Gedruckt im Flyer vom Kloster Jerichow. Nicht Jericho. Altmark, statt Heiliges Land. Ein kleines Gärtchen. Mit künstlich aufgeschüttetem Bachlauf und ein paar jungen Pflänzchen, die im Schatten des Backsteinbaus nicht so recht prosperieren wollen. Das war’s. Keine Schlange, kein Apfelbaum und von 72 Jungfrauen keine Spur.

Es lohnt also nicht, um auf die Eingangsfrage zurückzukommen.

Dies nur als Hinweis für alle, die vorzeitig im Jenseits ihre Hoffnung suchen. Lasst es bleiben und kommt lieber nach Tangermünde. Fahrt ein bisschen Fahrrad entlang der Elbe.

Das beruhigt.