Früher fand ich Bio ganz gut. Lag vielleicht auch an der feschen Referendarin…Jetzt hält sich meine Bio-Begeisterung eher in Grenzen. Klar, Bio ist gaaaaanz tooooollll. Aber nur, weil ich beim Anblick von 200 Gramm abgepacktem Discount-Gouda nicht gleich in Tränen ausbreche, müssen mich diese Ökoaktivisten im Supermarkt nicht so verächtlich anschauen. Ihr wisst schon, die Jungs und Mädels aus Freiburg oder Tübingen. Die mit der Schöffeljacke, die ihren Solarplatten besetzten Fahrradhelm überall aufbehalten. Auch als Schutz gegen den Elektrosmog. Sie lauern gleich hinterm Dinkel-Regal und halten einem mit aufgeblähten Nüstern Ekel-Fotos unter die Nase. Die Bilder zeigen von Melkmaschinen wundgescheuerte Kuh-Euter, Ursprung jeden Industriekäses. So! Das ist nicht schön. Natürlich würde ich auch lieber jeden Tag zusammen mit dem Bärenmarke-Bären meinen Käse in einer Holzschüssel selbst cremig rühren und im Anschluss noch ein paar Landliebe-Mädels klar machen… aber mit dem Rad ist mir der Weg auf die Alm einfach zu weit. Und manchmal muss es eben schnell gehen.
Bio. Bio. Bio. Kein Tag vergeht, an dem nicht irgendein Hersteller ein neues Bioprodukt in die Supermarktregale bringt. Jetzt gibt es sogar Bio-Katzenfutter. Liebe Besitzer von „Muschi“, „Pussy“ und „Mieze“: das einzige Biofutter für Katzen sind Mäuse. Also raus mit den Viechern aus der Stube.
Noch so ein Stratege ist Claus Hipp. Der nette Opi in der Trachtenjacke verarbeitet alles Essbare zu Püree und Brei, was ihm in die Finger kommt und steht nach eigenen Angaben schon lange mit seinem Namen für besonders schonende Zubereitung von Babynahrung. Nun presst er seit geraumer Zeit auch noch Bio-Brei. Für besonders gesunden Nachwuchs. So füttert sich die Bio-Industrie den Kunden von morgen heran. Mit krassesten Folgen: Auf den Pausenhöfen von Gymnasien in den gutbürgerlichen Vierteln trauen sich manche Schüler kaum noch, ihren Salami-Toast aus dem Brotpapier zu wickeln. Sie mutieren gar zu Außenseitern, wenn neben ihnen Paul, Emma und Gustav ihre Tupper-Kisten öffnen, um Vollkornschnitten, Magerquark und Obstsalat hervorzuzaubern. Mit regionalen Früchten selbstverständlich. Aus der Region Südamerika.
Doch in dem die junge Biobewegung die Gewohnheiten ihrer Eltern übernimmt, entzaubert sie sich selbst. Denn die tapfere Parental-Generation will nur ihre Seele von den Sünden der 80er Jahre befreien, als Alu-Folie noch keinen Anschlag auf den Planeten darstellte. Sie hofft nun auf die reinigende Wirkung von Bioananas. Vergeblich. Denn die Ökobilanz von Biofrüchten, die per Frachtmaschine aus Costa Rica eingeflogen werden, ist ungefähr so ausgeglichen wie der Haushalt von Oberhausen.
Aber so sind sie, Captain Planet und die anderen Öko-Helden. Sie leben das Bio-Konzept. Sie füttern ihren Körper nicht nur mit vollwertiger Kost, sie halten ihn auch fit. Am liebsten an der frischen Luft. Doch beim Joggen durch Wald und Flur wird die Inkonsequenz deutlich, mit der die Bioläufer ihre Runden durchs Leben drehen. Nicht nur, dass ein Großteil mit Sprit vernichtenden SUVs zur Schonung fährt. Am Leib hängen außerdem atmungsaktive Laufhemden und -hosen eines Kaffee-Rösters, zusammengenäht von laotischen Kinderhänden für zwei Cent pro Stunde. Funktionskleidung, die irgendwann als unauflöslicher Plastikrest im Bauch eines Delfins endet.
Ein Trost dabei ist, dass der Mensch trotz aller biologischen Fehltritte selbst biologisch abbaubar bleibt – außer Cher und Brigitte Nielsen vielleicht.