War beim Arzt. Musste einfach. Hatte frei. Und schließlich kostet es jetzt ja nichts mehr, seinem Hausarzt sein Leid zu klagen. Die Praxisgebühr ist ja seit Anfang Januar passé. Es gibt Menschen, die das Gesundheitsreform nennen. Ganz so weit möchte ich jedoch nicht gehen. Nun, der Besuch beim Arzt meines Vertrauens befreite mich nicht nur von meinen Sorgen, bald einer seltenen Krankheit zu erliegen – er schaffte auch Erkenntnis: Ich finde wir grüßen zu viel. Ein „Guten Morgen“ zu den Kollegen oder ein „Hallo“ zu den Nachbarn ist ja noch in Ordnung. Aber es gibt wohl kein Land auf der Erde – außer vielleicht Österreich (aber dann mit Titel) – in dem wildfremde Menschen in Wartesälen von Behörden oder Arztpraxen einfach so angegrüßt werden.
Zumeist sind es die Siechtum und Osteoporose deutlich näherkommenden Besucher, die so handeln. Die Abschaffung der Praxisgebühr treibt sie nun wieder scharenweise in der Hoffnung auf einen Schwatz in die Praxen und gibt den Rentnerwochen wieder eine Struktur. Kostenlos. Bei ihrer Ankuft im Warteraum des Arztes teilen sie zunächst ungefragt die Tageszeit mit, bevor sie sich aus ihren Wollmänteln geschält und ihre Filzhüte abgenommen haben. Dann setzen sich die Bakterienträger. Die bunten Kunstfasererzeugnisse beziehungsweise Strickwaren, die sie am Leib tragen, wecken schlimmste Erinnerungen an die Kindheit, als Kratzendes aus dem Hause OpaundOma stets höhnisch unter dem Weihnachtsbaum wartete, wie ein Hooligan, der dir gleich auf die Fresse hauen möchte. Wenn sie nicht noch ins Labor müssen, verkürzen sie sich die Wartezeit mit der vorhandenen Lektüre. Die Frage, wie viele Menschen den Lesezirkel bereits in ihren Händen hielten, scheinen sie sich nicht zu stellen. Auch treibt es die alten Grüßer nicht um, dass sie sie sich in einem Raum voller Kranker befinden. Sonst würden sie wohl kaum bei jedem Umblättern der Seiten von „Gala“ und „Stern“ die Finger mit ihrem Speichel befeuchten….Dabei steht doch in jeder Apothekenumschau in der Grippesaison etwas zum Thema Tröpfchenübertragung! Deshalb nehme ich zum Arzt stets meine eigenen Magazine und Bücher mit. Der ein oder andere neidvolle Blick ebenso besorgter Hypochonder ist deshalb schon an meiner Schulter abgeprallt.
Nun denn. Irgendwann ist auch der längste Plausch mit dem Gesundheitsfachmann über „Rücken“ „dat Ziehen inne Schulter“ und „Sodbrennen nach den Feiertagen“ beendet. Dann verlassen die Grüßer zunächst den Arzt mit den Worten, dass er auf sich aufpassen solle und dann ihr Publikum im Wartesaal. Zum Abschied heißt es dann „Auf Wiedersehen“. Sie nennen das Höflichkeit . Wohl aus diesem Grund, eben nicht unhöflich zu erscheinen, rafft sich der Rest der Wartenden zu einer Antwort auf, die mit „allgemeines Gemurmel“ noch wohlwollend beschrieben ist. Wer ein Wiedersehen sät, erntet ein gegrunztes „mfsrzse…hen“. Ich glaube, ein Wiedersehen wünschen sich alle Beteiligten im Wartezimmer nicht wirklich. Ich auf keinen Fall und sag‘ deshalb immer „Tschüss“. Bis zum nächsten Mal.
Herrlich Gregor, ick freu mir…