Kommando: Stühle ‚raus – der Frühling ist befohlen!

Da ist es wieder, dieses Kribbeln. Immer, wenn die Gastronomen des Reviers den Frühling befohlen haben, taucht es auf. Ganz gleich, ob der Winter schon längst der Vergangenheit angehört oder sich noch hartnäckig festkrallt: alles hört auf das Kommando: „Stühle raus!” Kaum, dass der letzte Schirm im Schneeregensturm umgeknickt ist, wird das Pflaster mit Sitzmöbeln voll gepflastert. Der Frühling ist da und Mensch will eben hinaus – ist doch so schön. Er lechzt nach den ersten Sonnenstrahlen und zweistelligen Temperaturen, obwohl letztere nicht unbedingt notwendig sind. Denn, dass Kälte kein Argument mehr gegen Outdoor-Beering ist, hat sich ja bereits im Winter gezeigt, als Kneipiers ihren Gästen das Pils am Pilz serviert haben.

Das Rauchverbot hat den Herstellern von Heizpilzen und Propangasabfüllern einen Traumabsatz beschert. Es soll sogar solche Lieferschwierigkeiten gegeben haben, dass sich Veranstalter von Kaffeefahrten vom Hotel- und Gaststättenverband genötigt sahen, ihre Seniorentouren abzusagen und die Heizdecken direkt am Lokal zu verkaufen. 

Aber gut. Sonne ist in unserem Land ja grundsätzlich positiv besetzt. Sie kitzelt so hübsch in der Nase. Und irgendwie hat es ja auch Unterhaltungswert, sich in der Mittagspause seinen Latte Macchiato mit Kartoffelsalat-Aroma nicht in dunklen Ecken einer amerikanischen Kaffeehaus-Kette schmecken zu lassen, sondern draußen am Brunnen oder auf dem Marktplatz. So wird man wenigstens Zeuge dessen, was sich die Leiter der Abteilungen Accessoires und Gedöns diverser Modehäuser an langen Winterabenden ausgedacht haben. Flanieren und studieren, heißt das Motto. Vielleicht sind in diesem Jahr Sonnenbrillen der letzte Schrei, die endlich das gesamte Gesicht bedecken. Schluss mit den faulen Kompromissen der letzten Saison, die großflächig Augen- Wangen- und Stirnpartie von gescheiterten DSDS-Bewerbern hinter Vollplastik versteckten. Ich empfehle Motorradhelme mit verdunkelten Visieren.

Tagsüber ist die Lust auf einen Platz an der Sonne, an frischer Luft noch nachzuvollziehen. Da wärmen selbst 6 Grad plus, wenn man windgeschützt sitzt. Aber abends? Da ist der Lorenz nämlich gerade auf dem anderen Teil der Erde damit beschäftigt, Getreidefelder auszudörren und der Frischegrad der Luft hat sich mittlerweile auf die Stufe „Artik” gesteigert.

Sie sind ein Phänomen des Frühlings, selbst, wenn er noch gar nicht begonnen hat: die wachsende Zahl der Bei-jeder-Temperatur-draußen-Sitzer. Da hocken sie dann, in Daunenjacken und flauschige Fleecedecken gehüllt und an Heizstrahlern schmiegend, zusammengerollt wie zu früh geborene Wolfswelpen unter Infrarotlampen und genießen den Abend. Schön der Frühling, ne? Ja, unbedingt, möchte man dann mit hochgeschlagenem Mantelkragen entgegnen, doch dieses Kribbeln in der Nase, das sich schnell in einem machtvollen und lauten Niesen entlädt, verhindert eine wohl artikulierte Antwort.

 Mir ein Rätsel, warum meine Nase läuft. Ist doch so schön draußen!

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