Radio Gaga

Wenn ich in diesen Tagen das Radio einschalte, fühle ich mich ein bisschen wie damals mit 14. Für den Spielplatz zu alt und für die Kneipe jung. Gefangen in der Metaebene. Irgendwie mitten drin, aber doch nicht dabei. In den 90er Jahren hielt ich das noch für einen Bereich im Baumarkt. Letztlich aber verbrachte man viel Zeit auf der Straße. Rumhängen war kacke. Heute lassen mich zwar viele Wirte zu sich ans Brett, doch stehe ich jetzt akustisch ohne Heimat da. Was also früher Rutsche und Theke waren, sind heute Einslive und WDR2. Aus dem frechen Jugendsender trotz aller hartnäckiger Versuche Jimmy Breuer lustig zu finden doch irgendwo rausgewachsen und für Chris Rea und Live-Kochsendungen einfach noch nicht so weit. Letzteres ist sowieso die Krone des Radiojournalismus: Darüber zu reden, wie man gerade kocht. Jochen Malmsheimer sagte es sinngemäß einmal so: Man kann nicht nur nicht schmecken und riechen, das gibt’s ja schon im Fernsehen, sondern auch noch nicht einmal sehen, was dort mal eben gaaaanz lecker gezaubert wird. Aber das ist eine andere Geschichte.

Natürlich gibt es bei den beiden Eckpfeilern des öffentlich-rechtlichen Radios in NRW Sendungen, die durchaus ansprechend sind. Die Bundesliga-Konferenz am Samstag auf WDR2 gehört ebenso dazu wie die unterhaltsamen Shows einiger Moderatoren-Duos bei Einslive. Sowohl zu früher Stunde an den Werktagen oder am Samstag. Nur an das denglische Wort „voten“ will ich mich nicht gewöhnen. Was ist an „abstimmen“ so uncool, wenn man das an die ach so spröde Politik erinnernde „wählen“ vermeiden möchte auszusprechen?  Sei’s drum.

Was aber die mittlerweile volljährigen Einslive-Verantwortlichen seit geraumer Zeit am Sonntagmorgen anbieten, ist gebührenfinanzierter Unfug. Selbst Hobby-Radiomachern beim Bürgerfunk würde das Mikro abgedreht werden, wenn sie derart seicht und planlos die Zeit verquatschten. Es wird gegiggelt und gekichert wie auf dem Schulhof. Bei der Comedy von Jimmy Breuer sind die flachen Witze wenigstens Absicht und Konzept. Aber er beleidigt keine Leute – zumindest nicht böse.

Am vergangenen Sonntag hat sich der Dienst habende Einlive-Moderator dann Franck Ribery vorgenommen. Ich bin absolut kein Fan des FC Bayern München, aber weiß wo die Gürtellinie sitzt. Der Typ sagte doch tatsächlich, dass er noch nie einen so „hässlichen Menschen“ wie den französischen Nationalspieler gesehen hätte und warf – unterstützt vom Gegluckse seiner Moderationspartnerin – noch die Frage auf, ob „er als Kind wohl in einen Häcksler gefallen“ sei.  Der Moderator ist nicht nur nicht lustig, sondern auch noch völlig ahnungslos. Ein Klick ins Netz und man liest den Grund für die Narben im Gesicht Riberys: Ein Autounfall als Kind.

Der Marc von der Sender-Hotline sagte mir, dass so was natürlich gar nicht ginge und ich nicht der einzige gewesen sei, dem diese Entgleisung aufgefallen ist. Eine Entschuldigung oder meinetwegen ein halbherziges und kurzes „Sorry“ blieb in der Folgezeit der Sendung jedoch aus. „Fehler versenden sich“ heißt es beim Radio schon mal. Ob der Angriff auf die Menschenwürde irgendwelche Konsequenzen nach sich zieht, weiß ich nicht. Meine schriftliche Bitte um eine Stellungnahme am Sonntag ist bis jetzt unbeantwortet geblieben.

Ich glaub’, ich höre jetzt öfter Funkhaus Europa. Da verstehe ich zwar nicht immer alles, ist aber manchmal vielleicht gar nicht so schlecht.

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