Sprühhaare!

Geburtstage sind ja ganz schön. Einerseits. Viele liebe Menschen gratulieren. Einige von ihnen sogar persönlich. Sie kommen dann vorbei. Im Gepäck haben sie tolle Geschenke – und Backwerk. Dafür erhalten sie im novembrigen Mai auch temporär eine beheizte Wohnstätte sowie Kaffee und Kaltgetränke. Und natürlich leckeren Kuchen, den sie zum Teil selbst mitgebracht haben. So läuft das Geschäft. Ein bisschen wie Weihnachten. Nur ohne Tannenbaum.

Andererseits bringt einem der Geburtstag jedoch die Vergänglichkeit des Seins nahe. Nicht nur, dass man mit 34 dem Tod und dem ihm voranschreitenden Siechtum wieder ein Jahr näher gerückt ist. Man wird auch ständig daran erinnert. Zum Beispiel beim Friseur. Dort ist es eigentlich Brauch, dass die praktizierende Friseurin auf das Wehklagen des Kunden, wie sehr die einstige Lockenpracht begonnen habe sich dem die Familie männlicherseits dominierenden Resthaar-Look anzunähern, eher aufmunternd reagiert. Sätze wie „Ach was, da musst Du Dir keine Sorgen machen!“, sind bis jetzt die Regel gewesen. Bis jetzt. Beim jüngsten Besuch im Salon wird mit der Tradition gebrochen. Es heißt nur: „Da habe ich vielleicht was für Dich.“ Und mirnichtsdirnichts wird aus einer dieser unzähligen Ablagen, über die Haar-Studios offenbar verfügen müssen, eine Palette mit dunklen Fläschchen hervorgezaubert. Mit Augen so erwartungsfroh, wie Markus Lanz nach einem vermeintlichen Gag in die Wetten,dass…?-Runde schaut, präsentiert meine Mähnenbändigerin: „Sprühhaare!“

Mein Blick muss so ausgesehen haben wie in dem Moment, als ich vor Jahren im Hörsaal bei der Vordiplomsprüfung das Aufgabenblatt meiner Statistik-Klausur umgedreht habe. Ungläubig, schockiert – und irgendwie angewidert. Der Produkt-Präsentation tut das keinen Abbruch. „Das nehmen jetzt viele Männer. Einfach in die lichten Ecken sprühen. Macht das Haar sichtbar voller. Hält bis zur nächsten Wäsche.“ Doch die mit Verve vorgetragene Werbung für dieses Zaubermittel verfehlt ihre Wirkung. Stumm und immer noch unter  Schock stehend deute ich wie in Trance auf den Haartrimmer, der neben mir auf einem Beistellwägelchen liegt. Mit zitterndem Daumen und Zeigefinger versuche ich einen Alternativvorschlag zum Haar aus der Dose zu formen. Die Distanz zwischen den fast zusammengeführten Kuppen ist nur so lang, wie es laut einer nicht repräsentativen Umfrage angeblich die Pimmel von Hummer-Fahrern sein sollen. 

Diese Radikalität ist jedoch nichts für meine Hair-Stylisten. „Ach was“, sagt sie, „fürs Abrasieren ist es doch noch viel zu früh“.

Na, also geht doch!

Habe am Ende doch einen Flakon Büchsenmatte erworben. Für den nächsten Karneval. Ich geh’ als Berlusconi.  

 

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