Thai-Massage

Leicht branden die Wellen des indischen Ozeans ans Ufer der Steilküste von Pulau Perhentian Besar. Ein paar Meter drüber hat Omar seinen Baldachin aufgestellt. Und eine Liege! Omar ist Masseur und seine Kunden können sich im Schatten traditionell asiatisch durchkneten lassen und dabei noch Wellen und Wind sowie an wühlende Wombats gemahnende Geräusche aus dem Regenwald lauschen. Der Inselurwald beginnt gleich hinter der Küste. Omar hat viel zu tun.

In Malyasia kam mir der Gedanke, mich zu Hause mal einer Thai-Massage zu unterziehen. Ausgerechnet.

Ein wenig mehr als ein halbes Jahr später sitze ich mitten in Dortmund auf einer Holzbank. Vor mir purzeln wieder Wellen an den Strand, wie herumtollende Welpen (oder aber auch Mungos) fallen sie übereinander her und laufen am Ende ganz sanft aus. Im Hintergrund werden Flöten geflötet und erzählen ein Lied von Entspannung, als die Szenerie in eine tropische Auenlandschaft übergeht. Unter dem Flachbildschirm steht ein Weihnachtsbaum. Auch Mitte Januar noch. Bunte Kugeln, Lametta und blinkende Kerzen beißen sich zwar ein wenig mit der Traumwelt, die aus dem Plasma-TV trieft, dafür harmoniert er jedoch hervorragend mit dem Zimmerbrunnen in der Ecke, aus dessen aufgetürmten Kunstfelsen ein kleines Rinnsal plätschert. Darüber hängen zahlreiche gerahmte Kopien von Diplomen über erfolgreich absolvierte Lehrgänge in der thailändischen Wellnessbranche. Offenbar ein Relax-Fachbetrieb. Und dafür bin ich ja schließlich hier. Wollte ich einen schönen Flur sehen, hätte ich Tine Wittler angerufen.

Die Seele beginnt gleich am Eingang zu baumeln, wenn die von Schneematsch tropfenden Winterstiefel für die Dauer des Aufenthalts gegen ein Paar Pantoffeln einzutauschen sind. „Kom dein“ sagt die Empfangsdame. Ihre Stimme klingt wie die Hexe aus „Hänsel und Gretel“, die einen Flummi im Mund hat. Dabei sieht die kleine stabile Thai-Frau natürlich viel freundlicher aus und lacht. Das Wohlbefinden beginnt mit einer Schale Jasmin-Tee, bevor zum Hauptgang in die hinteren Räume gerufen wird: „Junge Mann! Kom.“ Eine bisher unbekannte Insel des Wohlbefindens taucht plötzlich auf. Sollten streng budgetierte Regisseure mal einen Ort suchen, um einen Film über Kleopatra, Kalif Storch oder aber alle beide zu drehen – hier wäre er. 1001 Kissen, weiche Teppiche und Schnörkeltapete. Dazu wallende Vorhänge, die den Harem für die Erholungssuchenden in mehrere Kammern separieren. Es fehlen nur noch Eunuchen mit goldenen Schnabelschuhen und ein bis zwei Harvenspielerinnen. 

Auf einer mit bunten Stofftüchern bezogenen Liege darf ich Platz nehmen. Ausgezogen, bis auf die Unterhose lege ich mich auf den Bauch. Das Gesicht soll in die dafür vorgesehene Öffnung passen, damit der Rest von mir schön flach und entspannt liegt. Es passt nicht. Das Loch in der Liege scheint für kleine Menschen mit kleinen Köpfen erschaffen worden zu sein. Entweder ein Auge liegt auf dem Ring aus zusammengerollten Handtüchern und ich fühle mich wie Karl Dall mit Bindehautentzündung oder mein Kinn passt nicht rein. Irgendwie gelingt es jedoch, eine einigermaßen lockere Position einzunehmen. Dann werde ich komplett mit warmen Handtüchern bedeckt. Ich habe keine Ahnung, wessen Hände es sind. In meinem Blickfeld erscheinen ja nur grobe Frotteefasern und ein dunkler Teppich. Dann wird es schön. An den Füßen beginnt die Behandlung meines durch das harte Leben ausgelaugten Körpers. Die Flötentöne haben es auch bis in diese Kammer geschafft, dazu plumpst irgendwo etwas in langsam aufkochendes Wasser. 

Ich hatte extra keine traditionelle Thai-Massage gebucht. Die ist nämlich ohne Öl und eher was für Masochisten – hab’ ich mir erzählen lassen. Menschen gehen über eines anderen Menschen Rücken. Und das soll der Gesundheit dienlich sein? Ist vielleicht fürs erste Mal ein bisserl gewagt. Doch schon spüre ich einen Druck auf meinen Waden. Nicht den massierender Hände, sondern die Art von Schmerz, der von spitzen Knochen ausgeht. Sie gehören einer kleinen und Gott sei Dank leichten Masseurin. Vermutlich aus Thailand. Zumindest trägt sie diese langen Gewänder, die ich zuletzt bei „Hangover 2“ gesehen habe. Sie bearbeitet meine Oberschenkel und kniet gleichzeitig auf meinen Waden. Kurz vor dem Maschinenraum ist natürlich dankenswerterweise Schluss. Zu den Zertifikaten im Flur gehört offenkundig kein Ingenieursdiplom. Kaum ist sie fertig, fühlen meine Beine eine erneut unbekannte Berührung. Heiße Steine. Die also hat Madame vorher in den brodelnden Geysir geschmissen. Soll die Muskeln entspannen. Glaub’ ich. Nach gefühlt zwei Stunden Tapferkeit, gebe ich das Codewort „Hot“ und sie nimmt die glühenden Lavabrocken aus meinen Kniekehlen. 

Die zierlichen Hände meiner Masseurin und das auf meinen Rücken aufgetragene Aloevera-Öl schaffen es irgendwie nicht, eine harmonische Beziehung miteinander einzugehen. Anstatt, dass sie mit der Geschmeidigkeit eines durch den Regenwald huschenden Panthers über die Haut gleitet, fühlt es sich an, als ob sie einen Trupp Planierraupenfahrer anführt, um dem Lebensraum der Waldkatze den Garaus zu machen. Aber es soll ja auch wirken.

Tut es auch. Der Rucksack, der zuvor meine durch nicht enden wollende Schreibtischarbeit verspannte Schultern belastete, ist plötzlich viel leichter. Und das frische Obst zum Abschluss ist auch lecker. Habe dafür aber nach kiloweise Genuss von Ananas und Litschi am nächsten Tag eine ungewohnt entschlussfreudige Verdauung und einen Muskelkater, wie er nach dem Aufnahmetest beim Kommando Spezialkräfte nicht schlimmer sein könnte.

Nehme beim nächsten Mal gleich die Variante ohne Öl. Wenn schon Thai-Massage, dann richtig. Meine Empfehlung an den König!

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