Zico oder die Frage, ob wir sie noch alle haben

Wir haben alles. Jetzt dank Apple sogar eine Uhr, mit der wir sprechen können. Und das über 20 Jahre nach Knight Rider… Einen Sprechapparat, der uns die Uhrzeit anzeigt und uns bei Bedarf sogar weckt, haben wir ja schon lange.

Und weil das so ist, müssen sich arme Menschen immer neue Sache ausdenken, damit wir denken: „Mensch, das habe ich ja noch nicht. Ist bestimmt gut“. Und das dann kaufen.
Das hat schon oft funktioniert. Ich sag nur, eine bessere Darmflora dank Actimel.
Was für ein Quatsch, weder Gastroenterologen noch Blumenhändler haben das bestätigt. Aber wir haben die völlig überteuerten Mini-Fläschchen gekauft, in der Hoffnung, dass hinten raus alles gut wird.

Das können wir doch auch, sagte sich die Marketing-Abteilung von Coca Cola. Und hat Zico erfunden. Ein Versprechen, verpackt in eine azurblaue Plastikflasche. Mit schön trendig großer Öffnung. Togo. Der Inhalt: 400 Milliliter Kokoswasser. Natürlich original.
Wer jemals im Indischen Ozean den Saft einer frisch geöffneten Kokosnuss aus dem Bauchnabel einer ortsansässigen Strandschönheit getrunken hat, wird die Mumpe vermutlich nicht mögen. Doch Geschmack hat ja bekanntlich Bandbreite. Oft zählen ja die inneren Werte. Das sind die wahren Verkaufsargumente. Und da hat’s Zico wirklich in sich. Dank des hohen Kalium-Anteils soll das Wasser – Achtung, jetzt kommt’s – „zu einer normalen Muskelfunktion“ beitragen. Was für ein Schwachsinn! So ein Wasser hab ich schon. Kommt aus dem Kran. Umsonst.

Noch nicht mal telefonieren kann ich mit der Pulle.

Sollte sich der Witz in Kunststoff trotzdem gut verkaufen, wird Nike demnächst wohl nachziehen und seine neuen Treter mit dem Slogan versehen: „Unterstützt die natürliche Fortbewegungsfunktion des Fußes“.

Echt, do!

Loco Lokomotivführer

Der Kollege Franz Josef Wagner würde jetzt schreiben: „Liebe GDL…“.
Diese Anrede ist an dieser Stelle aber nicht angebracht. Denn dieser Streik, den die Damen und Herren der Gewerkschaft der Lokführer heute vom Zaun gebrochen haben, lässt jegliche Form von Zuneigung und Verständnis gegenüber Bahnmenschen, die noch in mir gebrannt haben mag, erkalten.
Stress, Schichtdienst, Sechs-Tage-Woche und dann noch zwischendurch Selbstmörder, die einem das Leben verleiden. Alles klar. Das ist nicht schön. Da kann man für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen.

Aber nicht so!

Früher haben sie wenigstens noch 24 Stunden vorher angekündigt, was Phase ist. Aber heute morgen zu sagen, dass am Abend für drei Stunden auf Deutschlands Schienen gar nichts geht – und es eben nicht nur im Güterverkehr zu Ausfällen kommt -, ist verantwortungslos. Der Schaden für die Volkswirtschaft riesig.

Solidarität ist ein Schlagwort der Gewerkschaften. In erster Linie gilt das natürlich ihren Mitgliedern. Die Kunden ihrer Mitgliedsunternehmen sind in diesem Moment nur eine Masse, die dazu dient den Druck im Kessel der Verhandlungen mit der Bahn zu erhöhen.

Wie weit die GDL von der Lebenswirklichkeit ihrer Kunden entfernt ist, zeigt doch die Aussage ihres NRW-Landeschefs: Der Zeitpunkt des Streiks von 18-21 Uhr sei deshalb gewählt, weil man davon ausgehe, dass dann die meisten Pendler schon zu Hause seien…
So ein Schwachsinn. Um 19 Uhr sind die Bahnsteige an Rhein und Ruhr proppevoll.

Und jetzt noch voller…

Nine to five ist ungefähr so alt, wie der Kaffee von Mitropa.

Dieser Streik ist verrückt.
Auf Spanisch heißt das loco.
Zu Lokomotivführerfunktionären aber auch wieder passend.

Shadowlands: Oder wie das Revier vom Klima profitieren kann

Wo liegt die Zukunft des Reviers? Sicherlich nicht darin, jeder Stadt ein Konzerthaus zu gönnen und jede Büroetage, die zwei Webdesigner beherbergt, zum Kreativzentrum auszurufen.

Die Zukunft liegt im Klima.

Neulich in Dubai. Kurz nach Verlassen der Skihalle erwischt es den Scheich. Er muss niesen. Erst die Kälte künstlich geschaffener Winterwelten. Dann 50 Grad und Wüstenstaub. Oder umgekehrt. Die Folge der täglichen Temperaturstürze: Grippale Infekte, gegen die weder die Zwillinge von Ratiopharm noch Bachelor und Apotheken-Umschau-Model Jan Kralitschka einen Rat wissen. Und das ist kein Einzelfall: Auch in Katar, Kuwait und Saudi-Arabien sind Scheichs und Emirs ständig auf der Suche nach einem der Gesundheit nicht abträglichen schattigen Plätzchen.
Und in Australien erst. Bondi Beach: Die Sonne brennt erbarmungslos. Wer hier am Strand in knapper Badehose beeindrucken will, ohne nicht mindestens zwei Zentimeter dick LSF 50 auf die Haut aufzutragen, riskiert binnen weniger Minuten von UV-Strahlen atomisiert zu werden. Denn „Down Under”, wie Australien bei der krampfhaften Suche nach einem Synonym gern genannt wird, kennt die Ozonschicht nur noch aus den Geschichtsbüchern. Aber selbst mit hochofentauglicher Sonnenschutz-Pelle bleiben 40 Grad eben 40 Grad. Jetzt wünscht sich der mittlerweile gut durchgebratene Australier nichts sehnlicher als Schatten spendende Orte.

Und – somit schließt sich der Kreis – davon hat das Ruhrgebiet gleich mehrere im Angebot. Sogar im so genannten Sommer.

Laut EU gehören Dortmund, Essen und Mülheim und zu den schattigsten
Städten Europas. Im Schnitt an gerade einmal 2,8 Stunden pro Tag gelingt es der Sonne, ein paar Strahlen durch das Wolkendickicht auf die Erde zu strahlen. Vor 40 Jahren hätte es auch eine plausible Erklärung für das Schattendasein dieser Region gegeben. Der aschfahle Teint der Menschen begründete sich aus dem Qualm der Stahlwerke, Kokereien und Kraftwerke. Grau-schwarze Wolken verd(r)eckten den Himmel. Es war so dunkel, dass beim Marktbesuch mit Oma zwischendurch laut durchgezählt werden musste, um die Anwesenheit aller Familienmitglieder zu überprüfen. Heute verhindern allerhöchstens die Schwaden rauchender Köpfe aus den Technologieparks, die überall aus dem Boden schießen, dass die Sonne ihren vollen Schein verbreitet.

Hier liegt der Schatz, den die Region nur heben muss. Schließlich setzt sie doch auf Tourismus wie nie zuvor. Anstatt durchs Sauerland zu kurven, um Tagestouristen zum Sale in die Shoppingmalls zu locken, sollte Ruhr-Tourismus lieber zum ganz großen Wurf ausholen: Eine Werbe-Tour durch die Golf-Staaten. Motto: „Wir haben den Schatten, den Sie suchen”. Gut, wem der Mittlere Osten aktuell – Achtung: Wortspiel: – zu heiß ist, kann auch mit Australien beginnen.
Die bloße Erwähnung von mickrigen 2,8 Stunden Sonne pro Tag wäre kaum ausgesprochen, und Millionen Australier wären mit Tränen der Vorfreude in den Augen auf dem Weg zum nächsten Flughafen in Richtung Pott. Mal 14 Tage von der Sonne erholen. Das schafft Arbeitsplätze im Revier.

Job-Wunder Shadowlands!

Das ist die Zukunft – zumindest so lange, bis das Ozonloch dank des wachsenden Flugverkehrs auch in Europa aufreißt.

Blatter hat Recht

Ich hätte nie gedacht, dass ich Fifa-Kaiser Sepp Blatter einmal Recht geben muss. Aber an einem Tag Ende Juli 2014 ist es soweit.

Viele Menschen mit Fahnen sind auf der Straße. Sie schreien, klatschen mit den Händen. Nein, WM ist vorbei. Demonstranten haben sich versammelt. In diesen Tagen ist klar: Deutschland kann sich dem Gaza-Krieg nicht entziehen. Auf der einen Seite demonstrieren Menschen gegen Bomben auf Gaza, auf der anderen gegen Raketen auf Israel. Beide haben Recht. Man beschießt seinen Nachbarn nicht. Man beschießt überhaupt niemanden!

Beide Seiten fordern Frieden. Die wenigsten Demonstranten haben direkt mit dem Elend in Gaza und der Angst in Israel zu tun. Sie solidarisieren sich. Manche wollen sich aber anscheinend einfach nur kloppen. Darunter einige mit bunten Sonnenbrillen, Tunnelohren sowie den üblichen Rechts-Links-Demo-Windbreakern mit eingebauter Vermummungskapuze und Hip-Bags.

Die hier nennen sich Anti-Deutsche. Es sind Menschen, die in Deutschland leben, hier womöglich kostenlos studieren, eine Ausbildung beginnen und sich somit auf ein erfolgreiches Berufsleben in Frieden und Wohlstand vorbereiten können – oder aber Sozialleistungen erhalten. Allesamt also Leute, die davon profitieren, in diesem Land aufzuwachsen. Dennoch lehnen sie ihre Heimat seit der Wiedervereinigung ab. Laut singen sie: „Nie wieder Deutschland“. Etwas leiser stimmen sie den Lobgesang auf „Bomber Harris“ an. Dessen britische Kampf-Flugzeuge hatten im zweiten Weltkrieg viele deutsche Städte zu Klump und Asche gebombt. Sie singen ihre Verse zu einem Zeitpunkt, an dem in Gaza und Israel Raketen und Bomben niedergehen. Wie gehirnamputiert kann man sein? Ich frage mich, für was oder gegen wen sie hier demonstrieren? Dann halten ein Transparent in die Höhe auf dem steht. „Einmal Auschwitz ist zu viel Solidarität mit Israel“. Selten passt der Satz: „Macht doch mal nen Punkt“ so gut wie an dieser Stelle. Nach dem „viel“ würde er sich gut machen. Aber deutsche Interpunktion ist schwierig. Vielleicht deshalb die Ablehnung…

Inzwischen stehen zwei Reihen Polizisten zwischen den etwa 20-25 Demonstranten auf jeder Seite. Noch ohne Helm, aber die Lage ist ein wenig gespannt. Schaulistige stehen am Rand des Treibens. Endlich mal was los in der Stadt. Die Luft riecht nach Testosteron. Man(n) und Frau wollen die Fetzen fliegen sehen.

Dann betritt der Weltmeister die Bühne.

Ein Mann, in eine Schmutz starrende Deutschland-Trikot-Nachbildung von 2006 gehüllt. Auf dem Kopf einen turmhohen Guiness-Bier-Hut und eine Sonnenbrille auf der Nase. In der einen Hand eine halbvolle Pulle Hansa-Bier. In der anderen einen Umschlag und Deo-Spray. Er gröhlt: „Der Weltmeister ist da“. Den Anwesenden gibt er zu verstehen, wie er mit dem WM-Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft umzugehen gedenkt: „Ich bin vier Jahre Weltmeister. Da feiere ich nicht nur einen Tag. Vier Jahre!“ Die Bühne ist sein. „Warum immer bei uns?“, fragt er in Richtung der Demonstranten. Man habe hier genug Probleme. Er zum Beispiel: „Hier im Umschlag ist ne Rechnung über 780 Euro Nachzahlung. Zahlt ihr die?“ Ein ganzer Platz platzt vor Lachen. Zwischen seinen Botschaften versucht er den ihm vorauseilenden Bierdunst im Nebel seines Deodorants zu verschleiern. Mehrere Stöße aus der Dose eines bekannten Drogeristen umgeben den Weltmeister mit einem Duft, der nicht nur Frauen provoziert.
Was der Weltmeister aber schafft: für ein paar Minuten vergessen alle Krawallsucher den Krawall und alle Demonstranten, zu demonstrieren. Der Weltmeister schlägt die Brücke. Fußball verbindet. Das ewige Mantra der Fifa. Wenn Sepp Blatter das erfährt, er würde sich selbst zum Friedensnobelpreis vorschlagen.

P.S.
Leider ist der Frieden nicht von Dauer. Als der Weltmeister abgezogen ist, jagen sich die Kontrahenten quer durch die Stadt. Ein paar Experten wollen um jeden Preis eskalieren. Die Polizei kann das verhindern. Erst am Bahnhof endet dieses ideologisch aufgeladene Räuber-und-Gendarm-Spiel.

Zu wenig

Wir haben ja von allem zu wenig. Echte Stürmer, zum Beispiel. Falsche neunen, ja. Aber so’n richtigen Strafraum-Bolzen, bestehend aus Wucht und Schmackes…gibt’s nicht. Und Fachkräfte. Überall Mangel. Glaubt man den Prognosen der Experten – von beiden haben wir eindeutig zu viele – werden ab 2020 sämtliche Werkshallen verwaisen oder in die Route der Industriekultur aufgenommen. Weil es zu wenige Menschen gibt, die Maschinen bedienen können. Das soll auch daran liegen, dass wir zu wenige Kinder haben. Und da sage ich:

Stimmt nicht! 

Zumindest aktuell. Keine Ahnung, wo sich die hormonellen Fragezeichen so lange versteckt haben. Aber jetzt sind sie da. Alle. Morgens auf dem Bahnsteig. „Der Besuch der alten Dame“ ist vorbei, jeder Tangens getanzt und vor den Ferien jetzt noch die französische Revolution anfangen…? Ach was! Dann doch lieber mit dem Klassenlehrer in den Zoo, nach Xanten oder zum Dom. Egal in welchen, Hauptsache mit dem Zug und danach ist noch Zeit für alle, um bei Primark das Konsumverhalten Heranwachsender zu erforschen. Im Selbstversuch.

In den Wagons herrscht ein Alarm wie im deutschen Strafraum gegen Algerien. Dazu riecht es nach 120 Minuten Public Viewing mit Deodorant-Boykottierern.

Bahn fahren vor den großen Ferien gehört zu den großen Prüfungen, die Pendlern auferlegt werden. Zu überstehen im Prinzip nur mit Wucht und Schmackes – doch davon ist nach langen WM-Nächten zu wenig übrig geblieben.

Der Fußball oder alle gegen einen

Es gibt nur einen (gesungen „ein“) Rudi Völler. Das ist klar. Aber wer ist dann das graumelierte Wolfgang-Petry-Double, das alle Tante Käthe nennen?

Ist auch Wurst, Hauptsache, der Mann trägt einen Artikel vorweg. Ein Rudi Völler. In den kommenden Tagen werden wir es wieder häufiger hören: Männernamen in Worteineinheit mit einem Artikel. Es ist WM. In Brasilien. Und ein Oliver Kahn darf beim ZDF als Torhüter Weisheiten über Feldspieler verbreiten. Bisweilen bekommen Zuschauer auch Tipps über ganze Völker. Der Afrikaner, zum Beispiel, lernen wir, ist tropische Hitze gewohnt.

Doch zurück zum Titanen aller Titanen selbst. Wenn das Abbild eines finnischen Freizeit-Nussknackers ins Schwadronieren gerät, driftet er allzu häufig ins Unbestimmte ab. Zumindest, was die Wahl seiner Artikel betrifft. Ein Thomas Müller, ein Mesut Özil oder aber auch ein Lukas Podolski seien natürlich in der Lage, einen verletzten Marco Reus zu ersetzen. Klar, sind ja schließlich zu Dritt.

Doch nicht nur die blonde Lord-Helmchen-Frisur mit der hölzernen Eloquenz einer Torlatte pflastert seinen Weg mit grausamen Formulierungen. Immerhin, es geht ihm um den einzelnen – auch um einen Oliver Kahn halt. Für seine Kollegen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedeutet der Einzelne dagegen nichts. Sie wollen alle. Deshalb betonieren sie den Plural fest in ihre Kommentare, um diese unauslöschbar in unseren Köpfe einzupflanzen. Es ist die Rede von Spanien, das im Mittelfeld mit den Iniestas, Xavis und Silvas dieser Welt den Ball zirkulieren lässt. Wie das aussehen soll…nur Klone auf dem Platz? Von 11 gegen 11 keine Spur mehr.

Das ist unfair. Besonders, wenn die Holländer nur einen Arien Robben in ihren Reihen haben. Und der ist auch noch so klein…

Kein guter Monat

Kein guter Monat für Dortmund.
Der BVB verliert das Pokalfinale in Berlin. Kevin Großkreutz die Übersicht. Strullert 1A abgefüllt in die Hotellobby, nicht ins Klo. Vielleicht hat er sich einfach gedacht: große Stadt, große Toiletten …und ließ laufen…Gute Schlagzeilen bringt das aber nicht. Das Lokalradio fragt zu Hause sogar bei den Nachbarn nach. Ist der Kevin ein Eckenpisser? Bestätigen konnte das Gott sei Dank niemand. Eher ruhig, nett und nach allem was man so weiß auch stubenrein.

Schlimmer:
Die Kommunalwahl. In einem Wahlkreis gehen 13,5 Prozent der Stimmen nach rechtsaußen. Insgesamt 4000 Dortmunder wählen rechtsextreme Parteien – und die sitzen jetzt im Rat. Ein paar ihrer Wähler wollen deshalb am Wahlabend ins Rathaus. Vollgetankt und grölend. „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“. Friedlich sehen sie dabei nicht aus. Und auch nicht schön.

Der Staatsschutz ist da schon weg. Gibt Entwarnung, weiß nichts vom Ansinnen der Rechten, auf ihre Weise an der Wahlparty teilnehmen zu wollen. Andere schon, haben einfach bei Facebook geguckt. Sie teilen ihr Wissen aber vorsichtshalber nicht mit der Polizei. Clever ist das nicht. Das Ergebnis: Blockade, Klopperei und zehn Verletzte.
Frage: Was wäre passiert, man hätte die Rechten ins Rathaus gelassen? Dort hätten sie wohl mehr Schaden angerichtet, als der Kevin in der Berliner Hotellobby – und sich selbst entlarvt.
Jetzt können sie argumentieren, ein demokratisch gewählter Ratsherr und seine Anhänger seien am Betreten des Rathauses gehindert worden. Nicht gut. Gar nicht gut.

Und das noch:
Eine Studie nennt Dortmund eine Stadt der Drogen. Wissenschaftler haben das Abwasser von 42 Städten in Europa auf Kokain-Rückstände untersucht. Ihr Befund: London und Antwerpen sind die Spitzenreiter. Aber: Dortmund hat sich unter die Top Ten gekokst.
Irgendwo kein Wunder.
Bei dem Elend.
Siehe oben.

Einunddreißig

Die Spannung im Raum ist mit den Händen zu greifen. Die Luft auch. Schweres Rasierwasser, Spaghetti Bolo und das, was aus dem Mund kommt, wenn sich die Kohlensäure vom fast verdautem Maibock und Grauburgunder löst und ans Licht strebt. Um einen Tisch sitzen Menschen. Männer und Frauen. In der Mitte liegen: Karten. Es wird gezockt. Hart.

Der schwache Schein des matt schimmernden Kronleuchters fängt die Szenerie nur schemenhaft ein. Vielleicht ist aber auch nur eine Kontaktlinse verrutscht. Oder aber am Sprichwort „Bier auf Wein, das lass sein“ ist tatsächlich was dran. Hin oder her: Der Geldstapel auf dem Tisch vor mir verliert seit Stunden dramatisch an Höhe. Das Deo an Wirkung. Nicht mehr lange und ich bin raus. Raus aus dem Spiel. Der Topf im Zentrum quillt beinahe über. Das könnte für eine Weile reichen…Doch auf der Hand nur Kraut und Rüben. Kleine Zahlen. Durcheinander. Ich brauche Asse. Am besten alle. Aber die sind wohl schon alle verteilt. Blicke voller List und Tücke huschen über die schwere Tischplatte. Der alte Mann mit dem sorgfältig zurückgekämmten Silberhaar schnaubt schwer. Die kleine Blonde kichert in sich hinein. Der levantinische Typ mit dem Schnauzer starrt nur vor sich hin. Jeder hält sein Blatt eng am Körper. Ausgebufft oder ausgeblufft? Das ist hier die Frage. Die zweite lautet: Wie bin ich hier bloß reingeraten?

Da. Ein Ass. Plötzlich liegt es vor mir. Gleich hab ich dich. Dann sieht alles wieder besser aus, ich wäre wieder im Rennen…doch dann schlägt Opa zu.
Bube, Zehn, Ass.
31.
Knack.
Ich bin raus.

Spieleabend in der Ferienwohnung.
Immer wieder schön.

 

Trink.Kakao!

Trink.Kakao!

Bäcker-Regel Nr. 1: Stell dir den Wecker. Regel Nr. 2: Der Kunde soll wissen, was er kauft. Damit auch bloß kein Missverständnis aufkommt. Deshalb steht Brot dort geschrieben, wo das Brot liegt. Und im Amerikaner steckt das Schildchen: Amerikaner. Das ist guter Service, wie wir ihn vom Bäcker unseres Vertrauens kennen. Vermutlich, um sich von der Masse abzuheben, hat sich jetzt eine Großbäckerei am Bahnhof eine besondere Maßnahme zur Kundenorientierung erdacht: den Hinweis zur Handhabung des Produkts. Anders ist es kaum zu erklären, warum neben dem Kakao unmissverständlich geschrieben steht, wozu er in Päckchen gepresst wurde. Um ihn mit Hilfe eines Strohhalms zu trinken. Aha. Klar. Gut, dass es dort so genau steht. Sonst , könnten frustrierte Bahnkunden ihn fur den bekannten Wurf-Kakao halten. Und damit ein Zielwerfen auf den Dienst habenden Bahnhofsmanager im Infopoint veranstalten, falls der Zug wieder Verspätung hat.

Hurensohn

Nicht nur jedem Anfang, sondern auch manchen Momenten wohnt ein Zauber inne. Sogar auf Bahnhöfen.

Ein normaler Werktag zur Feierabendzeit: Die trüben Pendleraugen hellen sich auf, als sie ein blondes Wesen am Fahrkartenautomaten erblicken, bei dem sich der Schöpfer ganz besondere Mühe gegeben hat. Langes, engelgleiches Haar, das den feinen Linien ihres Gesichts einen würdevollen Rahmen verleiht. Weich fallen die Locken den Rücken hinunter. Dazu ein Figürchen, das Wolfgang Joop die Tränen in die Augen treiben würde. Und dann diese langen Beine – selbstverständlich in edle italienische Designer-Jeans gehüllt. Die Habseligkeiten verstaute sie in einer Louis-Vuitton-Tasche.

Was sie wohl für eine Stimme haben mag?

Eine Sekunde später sollte sie erklingen:  Sie bricht den Kartenkauf überfordert ab und nennt den Ticketautomaten daraufhin einen „Hurensohn“.

Wie kurz diese zauberhaften Momente doch sind.